Von Markus Kristan
Auch die letzten Lebensjahre von Charles de Moreau blieben von Aufträgen seines wichtigsten Bauherrn geprägt. 1832 entwarf der Architekt seine letzte architektonische Arbeit für den Fürsten Esterházy in Eisenstadt [1]: Einen Synagogenkomplex, der ein Gemeindehaus, eine Rabbinerwohnung, das Badehaus mit der Gemeinde-Mikwe und ein Schi’ur-Zimmer umfasste, in dem der Rabbiner seine Thora-Vorträge hält. Die Grundsteinlegung für das Bauwerk erfolgte am 6. August 1832.[2]

An der Zeremonie nahm auch Paul III. Anton Esterházy de Galantha (1786–1866) teil, der Sohn des Fürsten Nikolaus II. Nach zwei Jahren Bauzeit, 1834, war die Synagoge fertiggestellt.[3] In der sogenannten „Reichskristallnacht“ vom 9. zum 10. November 1938 wurde die Einrichtung der Synagoge in Eisenstadt von NSDAP-Anhängern zerstört. Vermutlich wurde das Gebäude nur deswegen nicht in Brand gesteckt, weil es – wie viele andere Synagogen in Deutschland und Österreich – baulich nicht frei stand. Damit war ein Brandüberschlag auf Nachbargebäude zu befürchten. Nachdem die Eisenstädter Judengemeinde in der Shoa ausgelöscht und das baufällige Gebäude nach 1945 nicht mehr genutzt wurde, trug man es 1951 ab.

Die Fassade der Eisenstädter Synagoge überragte die anschließenden Bauten kaum. Der Mittelrisalit, gerahmt von zwei niedrigeren seitlichen Rücklagen mit den Fraueneingängen, war von drei hohen rechteckigen Fensteröffnungen dominiert. Diese waren von Spannquadern umgeben. Mit einem durchgängigen Gesims getrennt, lag darüber ein Halbkreisbogenfenster, das durch eine halbkreisförmig angeordnete Quaderung betont wurde. Die Basis dieser Fassade, die das topographische Gefälle der Straße ausglich, bestand aus Basissteinen. Den Übergang zur Dachfläche bildete ein umlaufendes, kräftig vorspringendes Traufgesims, das keinen weiteren Dekor aufwies. Darüber erhob sich eine abgetreppte Attika, die den Abschluss der Fassade bildete.
Anfang 1834, am 25. Februar, verstarb Moreaus als Maler vielversprechender Sohn Nikolaus an einem Fieberanfall. Der Tod seines Sohnes muss nach dem Tod seiner Tochter einige Jahre zuvor ein weiterer schwerer Schicksalsschlag für den Architekten und seine Frau gewesen sein.
Ausstellungen und Ableben
In der Ausstellung der Wiener Akademie der bildenden Künste des Jahres 1835 wurden zwei große Historienbilder von Moreau gezeigt: „Ödipus flucht seinem Sohne Polynices, seine Töchter suchen seinen Zorn zu besänftigen“ und „Atala auf dem Totenbette und Schaitas vom Schmerze gebeugt, der Vater Aubri segnet die Leiche mit Weihwasser“. 1836 folgte das Bild „Nausikaa, Tochter des Alkinous, König der Phäaken, lässt dem durch Schiffbruch ans Land geworfenen Ulysses Gewänder reichen“.

Im Juni 1840 dürfte Moreaus gesundheitlicher Zustand, trotz seines nach damaligen Begriffen schon sehr hohen Alters von 80 Jahren, noch gut genug gewesen sein, um mit seiner Schwester im Sauerhof zu Baden bei Wien einen Kuraufenthalt zu verbringen.[4]
Nur wenige Monate später, am 7. November 1840, veröffentlichte die „Wiener Zeitung“ die Todesanzeige von Charles de Moreau: „Verstorbene zu Wien. Den 3. November, Hr. Carl Moreau, ordentlicher Rath der k. k. Akademie der bildenden Künste, Architekt und Ritter der königl. Französischen Ehrenlegion, alt 82 Jahr Nr. 9, in der Leopoldstadt Nr. 9, am Schlagfluß“.[5] Das in dieser Anzeige angegebene Alter von 82 Jahren beruht auf der Angabe auf Moreaus Totenschein, ist aber mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht korrekt, da die Eintragung von 1760 im Taufbuch von Moreaus Heimatort eine zuverlässigere Quelle für das Alter des Architekten darstellt.
Der Leichnam Karl Ritters von Moreau wurde im Familiengrab am Währinger Ortsfriedhof beerdigt. Da der Friedhof 1873 geschlossen, 1912 von der Gemeinde Wien angekauft und 1925 in den Schubertpark umgestaltet wurde und nur wenige bedeutende Grabsteine in einem Hain erhalten geblieben sind, ist das Grab der Familie Moreaus heute nicht mehr auffindbar.

Mitarbeiter und Schüler
Moreau hatte eine Reihe von Mitarbeitern, mit denen er wiederholt zusammenarbeitete und die gelegentlich auch als seine „Schüler“ bezeichnet werden.

Es sind dies – soweit bei aktuellem Forschungsstand bekannt – die Architekten und Baumeister Joseph Franz Engel, Joseph Esch, József Hild,[6] Paul Sprenger und Raphael Rigel. In ihren eigenständigen Werken, die sie zum Teil noch zu Lebzeiten Moreaus realisierten, führten sie den Einfluss der klassizistischen französischen Architektur, den sie sie durch Moreau erfahren hatten, deutlich sichtbar weiter.[7]

In seinen architektonischen Werken suchte Moreau stets den Ausgleich zwischen Repräsentation und Rationalität. Darüber hinaus gilt er als einer der wichtigsten Vermittler französischer Bauideen nach Österreich und Ungarn, womit er das Architekturgeschehen des österreichischen Kaiserreiches maßgeblich beeinflusste.

Moreau verstand es stets, seine typischen essentiellen Stilmittel unter den je gegebenen Bedingungen von Bauaufgabe und Ort unverkennbar einzusetzen. Er schuf sowohl Papier gebliebene Projekte als auch zahlreiche realisierte Gebäude ganz im Sinne des sogenannten französischen Revolutionsklassizismus, wie er vor allem von Étienne-Louis Boullée (1728–1799) und Claude-Nicolas Ledoux (1736–1806) in Moreaus Prägungszeit formuliert worden war.

Für die damaligen Begriffe galten seine Bauten daher als radikal modern. Nach und nach aber wandte sich Moreau jedoch einem intimeren und bürgerlicheren Klassizismus zu, der auch nicht frei von Anleihen der italienischen Renaissance war. So wurde er zu einem der bedeutendsten Wegbereiter der österreichischen Biedermeierarchitektur. Wandlungsfähigkeit, Vielseitigkeit und Flexibilität machen ihn zu einem einflussreichen Vermittler des französischen Klassizismus und zu einer Schlüsselfigur der Architektur des Wiener Vormärz. Virtuos beherrschte er monumentale Studienprojekte, Schlossbauten, adelige Landhäuser, englische Landschaftsgärten, adelige Stadtpalais, Innenraumgestaltungen, Festdekorationen, Bäder, Bürogebäude sowie Sakralbauten für Mitglieder der katholischen und der jüdischen Konfession. Darüber hinaus war er ein grandioser Konstrukteur und Maler monumentaler Ölbilder und galt als hervorragender, universal gebildeter Kunstkenner.
Anmerkungen
[1] In der Unterbergergasse.
[2] Interessant, aber unerklärlich ist, warum Moreau vier Tage vor der Grundsteinlegung für die Synagoge in Eisenstadt am 2. August 1832 von Wien nach Mainau aufbrach. Siehe: Abgereiset: Den 2. August, in: Wiener Zeitung, Wien, 6. August 1832, S. 3, Sp. 2.
[3] Thomas Petters, Virtuelle Rekonstruktion der Synagoge in Eisenstadt, Diplomarbeit, Technische Universität, Wien 2016.
[4] Cur- und Fremden-Liste des Curortes Baden bei Wien, Baden 1840, Heft 14, S. 2.
[5] Ein weiterer Nekrolog auf Moreau findet sich im „Morgenblatt für gebildete Stände“, Wien, 12. Jänner 1841, S. 12 („Der bekannte Architekt und Historienmaler Moreau, als letzterer noch David’s Schule angehörig, ist vor einigen Tagen in hohem Alter gestorben“).
[6] József Hild (1789–1867), ungarischer Baumeister, wird als „Schüler“ von Moreau bezeichnet und arbeitete mit ihm eventuell in Wien und in Eisenstadt zusammen.
[7] Siehe: Pavel Zatloukal, Die Wranauer Gruft und drei revolutionäre Architekten – Moreau, Engel, Esch, in: Institut für Kunstgeschichte der Universität Salzburg (Hg.), Das Wesen Österreichs ist nicht Zentrum, sondern Peripherie. Gedenkschrift für Hugo Rokyta (1912–1999), Furth im Wald/Prag 2002, S. 328 ff.; Pavel Zatloukal, Was verbindet den Temple de l’Amour mit der Pyramide? (Architekten Moreau – Esch – Engel), in: Oldřich Král-Blanka Svadbová-Pavel Vašak, Die Quellen der modernen tschechischen Kultur I-II, Prag, Nationalgalerie, Institut für tschechische Literatur und Weltliteratur der Tschechoslowakischen Akademie der Wissenschaften, Prag 1988, S. 79-90, 91 (Resümee).